Critique

Critique

  • Krassimira Stoyanova und die Wiener Virtuosen entführen den Musikverein Wien in das romantische 19. Jahrhundert

    Für die folgenden „Vier letzten Lieder“, die als Vermächtnis Richard Strauss‘ gelten, gesellen sich dem intimen Kammermusikensemble acht weitere Musiker der Wiener Philharmoniker und der renommierte Liedbegleiter Hendrik Springer am Klavier hinzu – es folgt die weltweit gefeierte Sängerin Krassimira Stoyanova, 55, in einem hinreißenden, ärmellosen dunkelblauen Abendkleid.

    Von Ende 1946 bis zum Sommer 1948 arbeitete Richard Strauss an diesen melodisch und harmonisch zur Spätromantik zählenden Liedern. Deren Uraufführung in der Londoner Royal Albert Hall, am 22. Mai 1950, mit dem Philharmonia Orchestra, geleitet von Wilhelm Furtwängler, und mit der großen norwegischen Wagner-Interpretin Kirsten Flagstad konnte der am 8. September 1949 verstorbene bayerische Komponist nicht mehr erleben.

    Mit der bulgarischen Sopranistin Krassimira Stoyanova finden diese tiefgründigen, nachdenklich stimmenden Meisterwerke des Kunstlieds ein weiteres außergewöhnliches Sprachrohr. Wenn sie beim vertonten Hermann Hesse Gedicht „Beim Schlafengehen“ mit ihrer ausdrucksstarken Stimme die scheinbare Banalität des Schlafes gesanglich in den Raum schweben lässt, verbreitet sich unweigerlich die tiefsinnige, emotionale Stimmung, die ein von Krankheit und Krieg gezeichneter Richard Strauss in diesen Liedern verarbeiten wollte. Beim letzten Vers des Gedichts „Und die Seele unbewacht, will in freien Flügen schweben, um im Zauberkreis der Nacht, tief und tausendfach zu leben“ vermag es Stoyanova mit ihrem zart kolorierten Vibrato und ihrem weichen Timbre ein weiteres Mal stark auf die Tränendrüsen zu drücken. Dem Vers ging ein einleitendes träumerisches, leicht jammerndes Geigensolo zuvor, mit dem der Konzertmeister betören konnte.

    Und mit dem letzten Lied, nach dem Gedicht von Joseph von Eichendorff  „Im Abendrot“, kann die Kammersängerin die unsichtbar schlummernde Strauss‘ sche Abschiedsstimmung der vier letzten Lieder beeindruckend real vermitteln und hinterlässt nur einen Wermutstropfen – die atemberaubende Gesangskunst der Sängerin, die regelmäßig an der Wiener Staatsoper gastiert, nimmt mit diesem ergreifenden Lied an diesem Abend ein Ende.

    Jedem sei empfohlen, die nächste Gelegenheit beim Schopfe zu packen, sie einmal einen ausgiebigen Liederabend lang zu erleben – ein unvergessliches Erlebnis. Mit ihrer Ausdruckskraft, mit ihrer engelsgleichen Stimme, die sie samt-weich in Szene zu setzen weiß, zählt sie mit Sicherheit zu den besten Sängerinnen dieser Welt.

  • Weich-glänzender Sopran

    Krassimira Stoyanova sang ihre erste Marschallin im Haus am Ring, die Kammersängerin tat es auf eine darstellerisch souveräne, gesanglich makellose Weise, mit weich-glänzendem Sopran. Überirdisch schön ihre Eröffnung des Schlussterzetts (“Hab’s mir gelobt …”).
    STEFAN ENDER, Der Standard, 11. Dezember 2017
  • Krassimira Stoyanova: Die Diva, ganz groß auch in der Kleinform

    Ein Liederabend, sensibel begleitet von Jendrik Springer, in der Staatsoper.
    Die Stimme strömt in allen Lagen samtweich: Krassimira Stoyanova singen hören zu dürfen gehört zu den raren echten Offenbarungen, die das Musikleben unserer Zeit zu bieten hat. Sänge sie sinnlose Silben, man erfreute sich der puren Schönheit. Doch im Liedgesang gelten strenge Gesetze. Geht es doch um die Wahrhaftigkeit des Ausdrucks, um die glaubwürdige Vermittlung von Lyrik, die in Musik umgemünzt wurde.
    Liedstilisten punkten gern mit prägnanter Textgestaltung. Messerscharfe Artikulation gehört freilich zu Stoyanovas Prioritäten. Sie setzt zuallererst auf die Modulationskraft ihres Soprans, vermag mittels behutsam changierender Farbgebung alle denkbaren Stimmungsvaleurs, ob Sonnenstrahl oder Schattenspiel, auszudrücken.
    Bemerkenswert der jeweils chronologische Programmablauf im deutschsprachigen wie im slawischen Programmblock: Auf Schubert (mit einem schier weltentrückten „Ave Maria“), Richard Strauss und Erich W. Korngold folgten nach der Pause Tschaikowsky, Georgi Swiridow und der bei Joseph Marx ausgebildete Bulgare Georgi Slatew-Tscherkin. Was aufgrund des absteigenden Bekanntheitsgrades der Komponistennamen riskant schien, entpuppte sich als emotionales Crescendo, gegen dessen Finale zu die Stoyanova mehr und mehr von ihrer Musiktheaterpersönlichkeit entfalten durfte, um Phrasen von packender dramatischer Intensität (Swiridows Begegnung zwischen Simon Petrus und Judas) und hinreißender Leuchtkraft (die bulgarische „Mädchenklage“) zu entwickeln.
    Jendrik Springer trug die Stimme im wahrsten Sinne des Wortes auf Händen, entlockte dem Bösendorfer im Proszenium des Staatsopern-Logenrunds subtile pianistische Kabinettstücke, etwa die kaum pedalisierten, geheimnisvollen Laufbewegungen von Gretchens Spinnrad oder die ätherischen Akkordbildungen, die dem Titel von Strauss’ „Ich schwebe“ alle Ehre machten.
    Atemloser Stille in vielen innigen Momenten folgte tosender Applaus.
    Clemens Fabry, Die Presse, 15.11.2017
  • Krassimira Stoyanova: Gruß aus goldenen Opernzeiten  

    Unter den A-Klasse-Sopranistinnen ist sie derzeit die Vielseitigste, dabei war früher so etwas normal: Krassimira Stoyanova als Lucrezia Borgia in Salzburg

    Salzburg – Zumutbar wäre das für diese Frau keinesfalls. Und: Wer will eine solche Vokalmonokultur wirklich erleben? Trotzdem sei das Gedankenexperiment riskiert: Schostakowitschs Lady Macbeth hätte sie singen können, Verdis Aida hat sie im Repertoire, Bergs „Wozzeck“-Marie traut man ihr zu, dazu Mozarts „Tito“-Vitellia, sogar eine von Reimanns „Lear“-Töchtern, kurz: In allen diesjährigen Salzburger Festspiel-Opern wäre problemlos Platz gewesen für Krassimira Stoyanova, die jetzt, kurz vor Toresschluss unterm Mönchsberg, in der letzten Oper der Sommersaison ihre Lorbeeren einfährt, als (gleichwohl „nur“ konzertante) Titelheldin in Donizettis „Lucrezia Borgia“.

    Früher war alles besser? Das Lamento kann keiner mehr hören, doch im Falle der Bulgarin kommt man ins Grübeln. Krassimira Stoyanovas Karriere ist so etwas wie der Gruß aus goldenen Zeiten des Operngesangs. Als die Allrounder noch die Szene bestritten, als Mozart und Verdi keinen Vokalgegensatz bildeten, als auch Stars ohne Bling-Bling am Firmament leuchteten – und zwar aus eigener Kraft, nicht dank irgendwelcher PR- und Marktanstrengungen. Zur Stoyanova, der Vielseitigsten unter allen derzeitigen A-Klasse-Sopranistinnen, würde außerdem kein Tamtam passen, aus jeder ihrer Gesangsphrase springt einem das entgegen. Auch Donizettis Lucrezia ist bei ihr reinste vokaltechnische Intelligenz. Eine bestechende Gratwanderung, wo rechts und links Abstürze in den Effekt oder ins Getrickse drohen.

    Natürlich: Die Final-Cabaletta mit ihrem rasanten Zierrat ließe sich brillanter denken, mehr als Pyrotechnik und Jonglage. Aber darauf kommt es bei der Lucrezia, dieser merkwürdigen Zwitter-Existenz zwischen intriganter Mörderin und liebender Mutter, ohnehin nicht an. So, wie die Stoyanova Noten und Text hinterfragt, ist alles nur Mittel zum Zweck. Ergebnis ist wirklich ein Charakterbild, das Mitleid provoziert und gleichzeitig, in seiner gewissen Kühle, Irritation.

    Markus Thiel, https://www.merkur.de, 29.08.2017

  • Stoyanova and de León deliver gripping vocalism in Met’s “Aida”

    … This was an impressive vocal performance, sporting a laser focus in the top and middle of her range, and a light smolder in her chest voice. “Ritorna vincitor!” was sung with gripping intensity, bringing the evening to life after a slow start. This aria in fact overshadowed the far more famous lament “O patria mia” from Act III, which was also emotionally effective and intelligently sung, though a little cautious, never opening up to her full power.

    , newyorkclassicalreview.com, 24.03.2017

  • Puccini-Ohrenschmaus mit Krassimira Stoyanova

    Giacomo Puccini: Complete Songs for Soprano and Piano; Canto d’anime, Sole e amore, E l’uccellino, La Primavera, Ave Maria Leopolda, Ad una morta, Morire, Salve Regina*, A te, Casa mia, Sogno d’or, Terra e mare, Inno a Roma, Beata Viscera*, Avanti Urania, Storiella d’amore, Inno a Diana, Menti All’avviso, Vexilla*; Krassimira Stoyanova, Sopran, Maria Prinz, Klavier, *Orgel; 1 CD Naxos 8573501; Aufnahme 01/2016, Veröffentlichung 03/2017 (46’39)

    Eine gute Dreiviertelstunde machen Giacomo Puccinis komplette Lieder aus. Es sind 19 Stück, sechzehn davon sind weltliche Lieder, drei sind geistliche Lieder mit Orgelbegleitung, wovon deren zwei für zwei Stimmen bzw. Chor geschrieben wurden. Krassimira Stoyanova bewältigt sie allein und hat – die Technik macht’s möglich – beide Parts aufgenommen.

    Einige der Melodien aus den Liedern tauchten später in Puccinis Opern erneut auf. Das gilt für ‘Canto d’anime’, dessen Melodie etwas abgeändert in Rinuccios Florenz-Lied aus ‘Gianni Schicchi’ verwendet wurde. ‘Sole e amore’ kommt in der ‘Bohème’ vor und ‘Morire’ wurde später zur Arie des Ruggero in ‘La Rondine’, eine Oper, in der der Komponist auch Material aus ‘Signo d’Oro’ verwendete. Die Melodie des ‘Salve Regina’ stammt aus ‘Le Villi’, und in ‘Avanti Urania’ wird man genau wie in ‘Inno a Diana’ Melodiefetzen aus ‘Tosca’ und ‘Madama Butterfly’ identifizieren. Die Melodie aus’ Storiella d’amore’ benutzte Puccini im dritten Akt von ‘Edgar’. Im vorletzten Lied schließlich, ‘Mentia l’avviso’, findet man die Basis für Des Grieux’ Arie ‘Donna non vidi mai’ aus ‘Manon Lescaut’.

    Mithin ist dieses Recital ein Wiederhören mit alten Bekannten. Krassimira Stoyanova macht alles, um dieses Wiederhören beglückend werden zu lassen. Nicht nur ist ihr Sopran voller Leuchtkraft und wunderbar geführt, die Technik hilft ihr auch, die Lieder sehr ausdrucksvoll werden zu lassen. Wie immer versteht es diese Sängerin, Stimmungen treffsicher zu erzeugen und mit ihrem einmaligen Gestaltungstalent dramatisch und sinnlich die Unterschiede zu schaffen, die aus den Liedern eigentlich kleine charakterlich geschärfte Arien machen. Ein Ohrenschmaus, der nach 46 Minuten allzu schnell zu Ende ist!

    Some of Puccini’s 19 songs are the embryos of well-known arias of his operas. So, this program offers a lot of popular tunes. Krassimira Stoyanova is one absolutely brilliant, technically flawless performer of these songs. Each song gets its own character and atmosphere. The piano and organ playing by Maria Prince is enjoyable, and the recording is well balanced and natural. Highly recommended!

    pizzicato, 24.03.2017