Krassimira Stoyanova: Die Diva, ganz groß auch in der Kleinform

Krassimira Stoyanova: Die Diva, ganz groß auch in der Kleinform
29.03.2018 Mike

Krassimira Stoyanova: Die Diva, ganz groß auch in der Kleinform

Ein Liederabend, sensibel begleitet von Jendrik Springer, in der Staatsoper.
Die Stimme strömt in allen Lagen samtweich: Krassimira Stoyanova singen hören zu dürfen gehört zu den raren echten Offenbarungen, die das Musikleben unserer Zeit zu bieten hat. Sänge sie sinnlose Silben, man erfreute sich der puren Schönheit. Doch im Liedgesang gelten strenge Gesetze. Geht es doch um die Wahrhaftigkeit des Ausdrucks, um die glaubwürdige Vermittlung von Lyrik, die in Musik umgemünzt wurde.
Liedstilisten punkten gern mit prägnanter Textgestaltung. Messerscharfe Artikulation gehört freilich zu Stoyanovas Prioritäten. Sie setzt zuallererst auf die Modulationskraft ihres Soprans, vermag mittels behutsam changierender Farbgebung alle denkbaren Stimmungsvaleurs, ob Sonnenstrahl oder Schattenspiel, auszudrücken.
Bemerkenswert der jeweils chronologische Programmablauf im deutschsprachigen wie im slawischen Programmblock: Auf Schubert (mit einem schier weltentrückten „Ave Maria“), Richard Strauss und Erich W. Korngold folgten nach der Pause Tschaikowsky, Georgi Swiridow und der bei Joseph Marx ausgebildete Bulgare Georgi Slatew-Tscherkin. Was aufgrund des absteigenden Bekanntheitsgrades der Komponistennamen riskant schien, entpuppte sich als emotionales Crescendo, gegen dessen Finale zu die Stoyanova mehr und mehr von ihrer Musiktheaterpersönlichkeit entfalten durfte, um Phrasen von packender dramatischer Intensität (Swiridows Begegnung zwischen Simon Petrus und Judas) und hinreißender Leuchtkraft (die bulgarische „Mädchenklage“) zu entwickeln.
Jendrik Springer trug die Stimme im wahrsten Sinne des Wortes auf Händen, entlockte dem Bösendorfer im Proszenium des Staatsopern-Logenrunds subtile pianistische Kabinettstücke, etwa die kaum pedalisierten, geheimnisvollen Laufbewegungen von Gretchens Spinnrad oder die ätherischen Akkordbildungen, die dem Titel von Strauss’ „Ich schwebe“ alle Ehre machten.
Atemloser Stille in vielen innigen Momenten folgte tosender Applaus.
Clemens Fabry, Die Presse, 15.11.2017